Die Brauerei Oskar Migula in Gießhübel

Franz Wondrejz (+1984)

Ein Unternehmen, das für Gießhübel und seine Umgebung beachtliche Bedeutung besaß, war die Brauerei
O. Migula. Ihre Gründung geht auf ihren Namensträger Oskar Migula zurück, der aus Schlesien stammend 1869 mit 31 Jahren nach Gießhübel kam und hier die damals 19jährige Franziska Nöttig (Haus Nr. 180) heiratete. Er war gelernter Brauer und gründete zwecks Errichtung eines Brauhauses eine Aktiengesellschaft. Beteiligte Aktionäre waren die Gießhübler Bürger Albin, Anton und Franz Wondrejz, die Witwe Franziska Jirku, Josef Machatsch, Josef Nöttig und Johann Cisek aus Dobruschka. Am 1. August 1869 wurde mit dem Bau des Bräuhauses begonnen. Um den Bau zu beschleunigen, zahlte man den Bauleuten relativ hohe Löhne. So erhielten die Maurer 90 Kreuzer bis 1 Gulden 80 Kreuzer, die Hilfsarbeiter (Handlanger) 60 bis 80 Kreuzer. Den gleichen Lohn erhielten die Zimmerleute.

Schon am 10. Dezember 1869 begann man zu brauen. Am 31. Januar 1870 wurde das Brauhaus offiziell eröffnet. An die zahlreichen Gäste u. a. aus Lewin, Bad Reinerz, Neu Hradek, Neustadt a. d. M., Dobruschka, Opotschno und Nachod, sowie der weiteren Umgebung wurde das Bier kostenlos ausgeschenkt.


Brauerei Migula (um 1910)

Oskar Migula wurde später Alleininhaber. Er vergrößerte den Betrieb, baute angrenzend ein Wohnhaus (Nr. 95), errichtete Stallungen für Kühe und Pferde und führte neben der Brauerei auch eine Landwirtschaft. Das Bier wurde in Fässern und Flaschen an die Gaststätten der umliegenden Dörfer mit eigenen Pferdegespannen verfrachtet. Im Jahre 1930 kaufte die Brauerei ein Lastauto und ihr Chauffeur Franz Zeuner aus Obergießhübel fuhr das Bier in die Orte der Umgebung. Beliefert wurden Gasthäuser in Pollom, Sattel, Deschnei, Plaßnitz, Schediwie, Tanndorf, Trschkadorf, Rzy, Rokoli und Slavonov.

Der „Bräuerteich (um 1910). Hier wurde im Winter Eis gewonnen.

 

Im Jahre 1902 hatte Oskar Migula in Unter-Gießhübel bei den "Zwei Heiligen" ein Gasthaus mit landwirtschaftlichem Gebäude erbaut, dem er die Bezeichnung "Zum Grünen Tal" gab (Nr. 37). Dieses Gasthaus wurde 1913 um einen Tanzsaal erweitert. Der erste Pächter der Gaststätte hieß Kaspar, dann folgten Stwrtetschka, Stepan und Bauer.

In einem Gartengrundstück neben dem Brauhaus ließ O. Migula eine stattliche Villa (Haus Nr. 11) errichten, die zu den schönsten Gebäuden des Ortes zählte. So hatte sich die Firma O. Migula zu einem für Gießhübel bedeutsamen Wirtschaftsfaktor entwickelt, die vielen Leuten Beschäftigung und Verdienst bot.

Oskar Migula war auch ein Liebhaber der Jagd. In seiner Jägermontur mit der Feder am Hut, das Jagdgewehr über der Schulter und Vollbart war er eine stattliche Erscheinung und von jedermann geachtet. Wegen seiner Wohltaten für die Gemeinde Gießhübel wurde ihm im Jahre 1928 die Ehrenbürgerschaft verliehen. Aus diesem Anlass spendete er 1500 Kronen zur Gründung eines Armen-Fonds. Nachdem er mit
91 Jahren am 7. April 1929 verstorben war, wurde er mit großen Ehren in der Familiengruft in Gießhübel bestattet. Seine Ehegattin verstarb mit 86 Jahren am 29. August 1937.

Oskar Migula hatte drei Söhne und drei Töchter. Sohn Erdmann heiratete die Bürgerstochter Anna Soumar aus Gießhübel und lebte als Brauer in Jena. Auch er erwies in den Notzeiten vor 1938 den Menschen seines Heimatortes viele Wohltaten. Die Brauerei in Gießhübel übernahmen zunächst die Brüder Richard und Walbert Migula, später wurde sie von Richard M. allein weitergeführt. Walbert M. übernahm das Gasthaus "Zum Grünen Tal". Die Brauerei hatte in den Jahren vor 1938 einen schweren Konkurrenzkampf zu bestehen, denn von tschechischer Seite wurde die deutsche Brauerei hart boykottiert. Von 1939 bis 1945 war der Brauer Walter Pallmann in dem Betrieb beschäftigt.

Mit dem Zusammenbruch des Jahres 1945 endet auch die Geschichte der Brauerei Gießhübel. Wie aller deutsche Besitz verfiel auch das Brauhaus der Konfiskation durch den wiedererstandenen tschechischen Staat. Die Einrichtung wurde verkauft, die Fässer übernahm eine Brauerei in Dobruschka. Die Familie Migula traf wie alle Deutschen das Schicksal der Vertreibung. Heute werden die Gebäude der ehemaligen Brauerei vom landwirtschaftlichen Staatsgut benutzt.

1962 wird berichtet, dass im Bräuhause eine Betriebsküche eingerichtet worden sei. Der Eingang befinde sich über dem ehemaligen Bieraufzug. Die Decken wurden durch Betondecken ersetzt und die Räume mit großen, breiten Fenstern versehen. Die Brauerei ist inzwischen dem Verfall preisgegeben.

Sie wurde 2004 abgerissen.

/ T.F.