Ein Grab, das uns alle angeht

Am 5.6.1945 wurde Pfarrer Anton Rührich aus Gießhübel von Tschechen abgeführt und am 16.6.1945 im Peklotal bei Neustadt an der Mettau erschossen, auf einem Feld verscharrt und erst 1947 auf dem Friedhof in Slavonov bestattet.

Pfarrer Rührich wird verhaftet

Die Fotos von Pfarrer Rührich sind aus einem Fotoalbum Nové Mesto nad Metují a okoli
(Neustadt an der Mettau und Umgebung),
sie wurden ausgedruckt im Jahre 2008

Verhaftung

Dazu ein Auszug aus einem Brief aus dem Jahre 1991:

"Mitte der sechziger Jahre, als ich jedes Jahr mit meinen Eltern in Gießhübel war, suchte ich das Grab unseres Pfarrers Anton Rührich in Slavonov und fand es auch. Niemand wollte damals so recht etwas damit zu tun haben, wohl aus Angst. Die Pfarrköchin von Slavon hatte es immer in Ordnung gehalten, doch sie war zum Zeitpunkt meines Besuches schon sehr alt und konnte nicht mehr. So brachten wir es in Ordnung, und mein Vater machte aus einer Birke aus Gießhübel ein kleines Kreuz.


Grab von Pfarrer Anton Rührich

Bei diesen Arbeiten kam ein älterer, tschechischer Herr dazu und erzählte von dem Grab. Er berichtete u.a. auch, dass man den Leichnam nicht durch das Friedhofstor hatte tragen dürfen und er über die Mauer gehoben werden musste, da, wo er jetzt begraben ist.

Das alles hat mich sehr bewegt, und ich sah auch, dass sich niemand weiter um das Grab kümmern würde. Beim Anblick dieses Erdhügels stand fest: Ich muss dafür sorgen! Aber wenn ich nur einmal im Jahr da sein würde?

Beim Verlassen des Friedhofs begleitete mich dieser Mann und sah an dem Auto, dass wir aus Westdeutschland sind. Er fragte gleich, ob ich ihm nicht Herzspritzen besorgen könne, die er dringend für sich selbst brauche, und er wolle gut bezahlen. Solche und ähnliche Wünsche wurden mir jedoch täglich angetragen, und ich hatte eigentlich kein Ohr dafür. Dann wollte er mir Gold geben – und plötzlich kam mir die Eingebung: Er könnte das Grab pflegen! Er sagte, er heiße Josef Dusil und sei Bäcker in Neu Hradek und besuche jede Woche das Grab seiner Mutter in Slavon. Wir waren uns gleich einig, dass er alle Unkosten von mir in Tuxeskronen ersetzt bekommen und für die Arbeit die Spritzen erhalten solle. Ein paar Tage später konnte man schon neu gepflanzte Blumen auf dem Grab sehen.

So blieben wir bis vor zwei Jahren in Verbindung, wo ich plötzlich seine Todesanzeige bekam. Er hat sich also die ganzen 18 Jahre wirklich vorbildlich um das Grab gekümmert. Unser Birkenkreuz faulte immer mehr in die Erde, und er sorgte für ein neues, später auch für eine Einfassung. Die Rechnung habe ich immer sehr großzügig mit Tuxeskronen an ihn beglichen und zu Weihnachten gab es immer ein großes Alimexpaket. Er hat immer wieder Fotos geschickt, die zeigten, wie er das Grab instand hielt. Ich habe Herrn Dusil bei meinem letzten Besuch 1969 das letzte Mal persönlich besucht und dann nur noch bis zu seinem Tode mit ihm  in Briefkontakt gestanden. Denn ich war bis jetzt nicht mehr in der Heimat. Jemand hatte mich gewarnt, zu kommen, da meine verschiedenen Aktivitäten mich in Ungnade gebracht hatten. Man drohte, mich als unerwünschte Person sofort wieder auszuweisen." 

Siehe auch: "Mei Heemt 1991/2", Seite 79 f / T.F.

 

Bericht über die Erschießung von Anton Rührich, Pfarrer in Olešnice v Orlických horách/ Gießhübel,
und seine Beerdigung in Slavonov.

P. Anton Rührich, Pfarrer in Olešnice v Orlických horách/ Gießhübel, geboren am 17. 4. 1903 in Rudník/ Hermannseifen /Leopold/, nach seinem Studium in Hradec Králové/ Königgrätz hier am 29.6.1928 zum Priester geweiht, war als Pfarrer in Olešnice v Orlických horách/ Gießhübel tätig. Er wurde zusammen mit einigen deutschen Bürgern von tschechischen Soldaten nach Peklo bei Nové Mesto nad Metují (Peklo ist das Mettautal, das sich zwischen bewaldeten Bergen von Nachod nach Neustadt sich zieht) gebracht. Es wurde ihm zu Last gelegt, dass er hinter dem Altar in der Gießhübler Kirche Waffen versteckt hätte. Dafür wurde er verprügelt und im Militärlager in Peklo verhaftet, wo er „auf der Flucht“ erschossen wurde, nachdem er sich sein Grab hatte graben müssen.

Sobald ich darüber benachrichtigt wurde, ging ich zu Dr. Bedrich Augustin, dem Nationalaussussvorsitzenden, und bat ihn, den Pfarrer mit Hilfe von zwei Majoren ins ordentliche Gefängnis in Neustadt zu bringen, denn einige der Soldaten äußerten sich dahin, dass sie ihn hinrichten wollen.
Bevor es gelang ihn abzuholen, wurde er erschossen; so fanden wir ihn 10 cm unter der Erde.
Er lag in seinem schwarzen Anzug mit dem Gesicht nach oben, aus seiner Nase wuchs schon Gras. Den Platz, wo er begraben lag, zeigte mir – mit viel Angst vor Rache der Mörder – der Leiter des Sägewerks in Peklo, Herr Cita.
Außer dem Inhaber der Beerdigungsanstalt Ant. Valášek war MUDr. Moravec zugegen, der die Leichenüberführung ins naheliegende Dorf Slavonov auf den Friedhof genehmigte.
Er wurde dafür bestraft und nach Decín/Tetschen im Grenzgebiet versetzt.

Die Überführung fand bei starkem Schneesturm von Herrn Hylena aus Vrchoviny statt und ich und Herr Pfarrer Jaroslav Pavelka aus Slavonov wurden wegen dieser Ehrenbezeigung gegenüber dem gemarterten Pfarrer angegriffen.

Der Mord passierte im Mai oder im Juni 1945. Die Schwester von Herrn Rührich kam zu mir nach Nové Mesto, um mir zu danken. Sie wurde später mit allen ihren Verwandten und Dorfbewohnern vertrieben.
Sowohl ich als auch die anderen waren von seiner Unschuld überzeugt, denn nach dem Zeugnis aller Befragten erlaubte er in seinem Pfarrsprengel auch tschechisch zu singen, was jedoch im Protektoratsgebiet verboten war, und sein Freund im benachbarten Sedlonov/ Sattel wurde wegen seiner ablehnenden Haltung zum Nazismus verhaftet und im Konzentrationslager zu Tode gemartert.
Der Bruder des verstorbenen Pfarrers, Philipp Rührich, studierte mit mir in Hradec Králové/ Königgrätz und wurde ein Jahr nach meiner Weihe am 29.6.1937 zum Priester geweiht. Er war dann in Lanškroun/ Landskron tätig, später wurde er vertrieben und ist vielleicht schon tot. Theologiestudenten der deutschen Nationalität, die 1931-1936 mit uns in Hradec Králové studierten, waren gegen den Nazismus und litten sehr unter seiner Herrschaft, denn Christus war für Nazis ein Judenkind.

Nové Mesto nad Metují, den 4.11.1990

                                                                                             P. Petr Štepánek

 

Stepanek

 

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