Schendlers Borg

 

Margaretha Kirschner

 

Meine Nichte und mein Neffe mit Familien aus Sachsen-Anhalt machen sich jedes Jahr um das Neujahrsfest herum auf den Weg ins Adlergebirge, um ihren geliebten Schisport zu betreiben. Sie berichten mir, welche Strapazen sie auf sich nehmen müssen, um an ihr Ziel, die Masaryk-Baude, zu gelangen und wie herrlich das Schigelände dort ist. Da erinnere ich mich immer, wie gut wir Kinder es doch hatten; denn unser Schi- und Schlittenparadies lag (in Gießhübel) vor unserem Hause. Wir überquerten nur die Straße und ein Wiesenstück, und schon ging es bergauf. Den Berg, der uns soviel Freude machte, nannten wir „Schendlers Borg“ (nach dem Besitzer Schindler).

 

Sobald es schneite, holten wir Schneeschuhe und Schlitten vom Boden. Erschien ein Schifahrer auf dem Berg, kamen gleich die anderen Nachbarskinder dazu, und dann begann der Spaß. Wer gut im Schi-  und Rodelsport war, konnte seine Abfahrt weit oben beginnen. Wir Mädchen waren nicht so mutig und begnügten uns mit der Abfahrt vom halben Berg. Wettfahrten und Hindernislauf waren oft angesagt. War die Bahn sehr ausgefahren, konnte es gefährlich werden. So hatte ich mir 1942 das linke Bein gebrochen. Ich konnte erst wieder den nächsten Winter auf den Berg hinauf. Die nahe Straße war für uns ungefährlich, denn Autos fuhren im Winter damals nicht vorbei, höchstens mal ein Pferdeschlitten.

 

Mit dem Schifahren begannen wir schon sehr früh. Meine Schwestern waren erst fünf Jahre alt, als sie die ersten kleinen Schneeschuhe zu Weihnachten bekamen. Stellmacher Wagner hatte sie angefertigt. Am 1. Weihnachtsfeiertag machten sie ihre ersten Versuche auf ihnen. Wie oft sind wir Kinder in den Schnee gefallen! Das machte uns nichts aus. Auch die Kälte konnten wir vertragen. Der Schnee gefror an unserer Kleidung fest. Das störte uns nicht. Wenn es dunkel wurde, fuhren alle heim. In der Stube wärmte uns der große Kachelofen wieder auf. Die nassen Kleidungsstücke wurden auf den „Stänglan“ getrocknet und die Schuhe unter der Ofenbank. Wie gut konnten wir dann schlafen!

 

Damals war unser „Borg“ unser Schi- und Rodelparadies. Ob auch heute wieder Kinder ihren Spaß auf ihm haben?