Die Aussiedlung

eingereicht von Elfriede Rödig geb. Hartmann

Der Befehl ist gekommen. Früh um acht

wird’s mit der Aussiedlung wahr gemacht.

Der Mund hat gelächelt, das Herz hat gebebt,

als der tschechische voják die Türe verklebt.

Seine diebische Neigung wird nicht verhehlt,

beim Verladen ins Lager hat schon manches gefehlt.

Durchrüttelt und müde kamen wir an,

und schon waren wir zur Leibvisit dran.

Es wurde getastet, die Taschen verdreht,

dass ja ihren Klauen kein Heller entgeht.

Wir standen vorm letzten Hab und Gut

mit geballten Fäusten, ob der räubrischen Brut.

Man wühlte und zog, was gefiel, flog daneben,

woran man gespart sein ganzes Leben.

Ein kleiner Dicker verstand besonders viel davon;

Er war ja auch Vorstand von der Diebeskommission!

Fand man nichts passendes mehr im Gepäck,

da wurden die Schuh‘ von den Füßen gestreckt.

Die Gelüste sind gestillt, das Häuflein schon klein,

nun ziehen wir in die Baracken hinein.

Man richtet sich eine Lagerstatt, umgeben von seinen Sachen.

Man legt sich hinein und denkt nichts mehr. Man kann eben doch nichts machen.

Auf einmal

in nächtlicher Einsamkeit –

da beißt es – da juckt es !

O grausige Ahnung! Was ist geschehen?

Ich habe die erste Wanze gesehen.

Halberstadt, o Halberstadt, du schönes Städtchen,

mit deinem Lager und den verwanzten Bettchen!

Schnell eilten die Stunden im Lager dahin,

lustig war‘s manchmal und heiter der Sinn.

Es gab des öfteren auch Geschrei,

dann kam die Wachmannschaft schnell herbei.

Auch Arbeit gab es dann und wann,

bis endlich die Abreise nahte heran.

In Reih und Glied 1200 Mann,

marschierten wir zum Bahnhof dann.

Eingekeilt zwischen Säcken und Kisten

Mussten wir uns in die Waggons einnisten.

Wir sind gereist wie das liebe Vieh;

So reisten diesmal er und sie.

In Tetschen ward Station befohlen;

wir mussten uns dort unser Essen holen.

Dies war sehr „üppig“, besonders „appetitlich“,

sogar viele Würmer taten sich gütlich!

In Tetschen war es besonders nett,

man denke nur ans pompöse Klosett!

Dreißig Menschen in einem Raum,

man rührt sich nicht, man atmet kaum.

Hier wird gegessen, geschlafen, gesch....

Und alles zum Fenster hinausgeschmissen.

Drei Tage und Nächte dauert die tolle Fahrt,

und eines Abends landen wir in Barth.

Strömender Regen in nächtlicher Stunde,

Finsterer Wald in weiter Runde.

Alles rennt, rettet, flüchtet,

doch die Baracken sind nicht belichtet.

Man erreicht dieselben mit Schimpfen und Fluchen,

es beginnt ein Hasten, ein sich Suchen,

bis endlich um 3 Uhr in der Nacht

die Habe unter Dach gebracht.

Man schlief dann gut im grossen und ganzen,

nach langem mal wieder ohne Wanzen.

Am anderen Morgen, beim Sonnenschein,

schaute jeder wieder freundlicher drein.

Wasser gibt’s hier genug, wie mich deucht

es kam des öfteren von allen Seiten feucht.

Sonst ist hier nicht viel zu kriegen.

Wir sollen ja auch an der Ostsee liegen.

Es mutet hier alles anders an, besonders,

dass man wieder deutsch sprechen kann.

Die Leitung ist mit uns einer Rasse.

Wir fühlen uns nicht mehr als Mensch II.Klasse.

Ansonsten die Gegend ...

ich will´s bei niemand verderben –

ich bin schon lieber in unseren Bergen.