Die tschechoslowakische Armee
zwischen 1918 und 1939

Wilhelm Rott

Viele Ältere unter unseren Landsleuten mussten aufgrund der bestehenden gesetzlichen Wehrpflicht in der tschechoslowakischen Armee dienen, sei es als Wehrpflichtige längere Zeit oder in sogenannten Waffenübungen (heute Wehrübungen). Andere traf dieses Los bei der Mobilmachung im Jahre 1938. Nachstehende Ausführungen sollen einen Überblick über die Gliederung und Ausrüstung dieser Streitkräfte geben.

Mit dem militärischen Zusammenbruch ab September 1918 begann auch der Zerfall des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn. Vor allem dem tschechischen und dem polnischen Nationalausschuss in Paris (eine Art Exilregierung), war es Anfang 1918 gelungen, ihre Pläne für die Zerstückelung der Donaumonarchie durchzusetzen. In den Friedensverträgen von Saint-Germain-en-Laye (1919 mit Österreich) und Trianon (1920 mit Ungarn) wurde die Auflösung der Habsburgermonarchie sodann bestätigt.

Der neuen internationalen Ordnung, die in der Pariser Friedenskonferenz von 1919 entwickelt wurde, lag das Nationalstaatenprinzip zugrunde. In traditioneller Weise sprach die Friedenskonferenz den Siegern Beute zu und verpflichtete die Unterlegenen zur Zahlung von Reparationen und zu Gebietsabtretungen. Aber die neuen Staaten waren durch die Mischung verschiedener Völker keine National- sondern Nationalitätenstaaten. Die führenden Nationen, so in Polen, der CSR und im erweiterten Rumänien, ließen sich auch nicht durch den Völkerbund daran hindern, Nationalstaaten zu etablieren, in denen die Minderheiten unterdrückt wurden. Neutrale Beobachter urteilten schon damals, dass die Befreiung der bisher unterdrückten Völker nur der Einkreisung Deutschlands dienstbar gemacht worden sei.

Die Tschechoslowakische Republik (CSR) wurde am 28. Oktober 1918 in Prag ausgerufen. Masaryk wurde der erste Staatspräsident.

Eine kleine nationale Armee war ebenfalls bereits vorhanden. Kader der neuen Armee bildeten zunächst die Legionäre, die während des Ersten Weltkrieges gegen die Mittelmächte gekämpft hatten. Es handelte sich um militärische Einheiten, die aus Überläufern, Gefangenen und Freiwilligen in Russland (nach der Februarrevolution 1917), in Frankreich (Ende 1917) und in Italien (Anfang 1918) gebildet wurden und unter alliiertem Befehl waren, aber unter politischer Führung des tschechischen Nationalausschusses gestanden hatten.

Die Legionäre kehrten unmittelbar nach dem Waffenstillstand mit ihrer gesamten Ausrüstung in die Heimat zurück. Dadurch standen den Tschechen Truppen zur Verfügung, die noch Ende 1918 alle von Deutschen bewohnten Gebiete von Böhmen und Mähren besetzen konnten, ohne auf Widerstand zu stoßen. Bereits nach drei Wochen war die Besetzung der deutschen Regionen abgeschlossen. Hierbei kam es zu Gewaltakten und Unterdrückungsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung. Als besondere Demütigung wurde es empfunden, dass die tschechischen Legionäre überall in den Städten die Denkmäler von Kaiser Joseph II. stürzten bzw. beseitigten. Die Landbevölkerung war empört und in ihren reli­giösen Gefühlen verletzt, weil Kapellen, Wegekreuze und Votivbilder zerstört wurden.

Alle Versuche, die Respektierung des Selbst­bestimmungsrechts für Deutsch-Böhmen und eine Demarkationslinie zwischen dem deutschen und dem tschechischen Siedlungsgebiet zu erreichen, blieben vergebens. Die deutsche Reichsregierung konnte mit Rücksicht auf den geschlossenen Waffenstillstand und die bevorstehenden Friedensverhandlungen keine militärische Unterstützung gewähren, um nicht die eigene Position gegenüber den Siegermächten noch weiter zu verschlechtern.

Am 4. März 1919, dem Tag des Zusammentritts der Nationalversammlung Deutsch-Österreichs in Wien, fanden in fast allen Städten Deutsch-Böhmens friedliche Protestkundgebungen statt, weil die Deutschen nicht an den Wahlen zum österreichischen Nationalparlament teilnehmen durften. Tschechisches Militär schoss wahllos in die Menge. Insgesamt 54 Todesopfer und zahlreiche Verletzte waren zu beklagen. Die Weltöffentlichkeit blickte weg, weil sich die europäischen Alliierten mit der militärischen Besetzung der deutschen Siedlungsgebiete bereits abgefunden hatten. Nur die USA hatte anfangs noch Bedenken und befürwortete die Abtretung der deutschen Regionen Böhmens an Deutschland. Die Amerikaner verloren aber bald ihr Interesse an Mitteleuropa und erklärten sich schließlich stillschweigend mit den vollendeten Tatsachen einverstanden.

In der Friedenskonferenz wurde über dieses Problem kaum mehr diskutiert. Die Tschechen hatten ihr Ziel erreicht.

Der neue Staat umfasste 140.000 km2 mit 14,7 Millionen Einwohnern, davon 3,5 Mio. Deutsche, 2,4 Mio. Slowaken, 0,7 Mio. Ungarn, 0,2 Mio. Polen und 0,3 Mio. andere nationale Minderheiten (vor allem Rumänen und Ukrainer). Die Längsachse in ostwestlicher Richtung betrug etwa 900 km, die Breite in nordsüdlicher Richtung gemessen schwankte zwischen 90 und 70 km im südlichen Teil. Im Kriegsfall mussten mehr als 3.000 km Staatsgrenze verteidigt werden, eine denkbar ungünstige strategische Situation. Hierzu kam erschwerend, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung kein großes Interesse an der Verteidigung eines Staates haben konnte, der sich ausdrücklich als tschechoslowakischer Nationalstaat verstand. Der Aufbau einer starken Armee war daher besonders wichtig.

 

Heer

Aus revolutionären Anfängen hat sich die CSR mit Hilfe Frankreichs rasch ein neuzeitlich gegliedertes und gut ausgerüstetes Heer geschaffen.

Am 19. März 1920 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die aktive Dienstzeit dauerte zunächst 14 Monate, wurde dann auf 18 und später auf 24 Monate erhöht. Jährlich wurden 70.000 Rekruten eingezogen. Damit erreichte das Heer eine Friedensstärke von 180.000 Mann. Bei der Mobilmachung sollte sich das Friedensheer zunächst verdoppeln. Im Kriegsfall konnte mit 1,5 Millionen ausgebildeten Wehrfähigen, 500.000 Mann nicht ausgebildeten Wehrfähigen und 200.000 Hilfsdienstpflichtigen im Alter von 50-60 Jahren gerechnet werden.

Für die Ausrüstung der Armee stand zunächst nur das Material des demobilisierten Österreich-ungarischen Heeres zur Verfügung. Die neu gebildete tschechoslowakische Armee und die Polizeiformationen waren anfangs mit Infanteriewaffen unterschiedlichen Typs ausländischer Herkunft ausgerüstet. Nach einem Dokument vom 11. April 1921 gab es zu dieser Zeit nicht weniger als 92 verschiedene Modelle an Handfeuerwaffen und ein Dutzend unterschiedlicher Munitionsarten vom Kaliber 6,5 mm bis 9 mm.

An Gewehren waren vor allem die aus der Donaumonarchie stammenden Mannlicher-Mehrlader Modelle 1895 sowie Mehrlader Modelle 88 und 98 aus deutscher Produktion vorhanden, außerdem Mehrladegewehre und -karabiner aus Frankreich, Italien und Russland. Angesichts der schwierigen Finanzlage des jungen Staates war eine einheitliche Bewaffnung innerhalb kurzer Zeit nicht möglich. Um ein Mindestmaß an einheitlicher Ausrüstung, vor allem für einzelne Waffengattungen zu erreichen, erhielten Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Pioniere und rückwärtige Dienste Mannlicher-Mehrlader des Typs 1895. Motorisierte Truppen, Panzerzüge, Fernmeldeeinheiten, Luftwaffe und Militärpolizei weitgehend Mauser-Mehrlader Modell 98. Den Wach-, Sicherungs- und Reserveeinheiten wurden die auf die Patrone 8 mm umgerüsteten Mosin-Mehrlader Modell 1891 zugeteilt.

Die meisten Gewehre waren nicht nur technisch veraltet, sondern durch den oft jahrelangen Kriegseinsatz überholungsbedürftig. In den Waffenwerken von Brünn wurden daher ab 1918 insgesamt mehr als 100.000 Mannlicher-Gewehre generalüberholt, bevor man ab 1922 die Produktion eigener Militärgewehre des Systems Mauser begann. Die Umrüstung auf die neuen Waffen zog sich bis Mitte der dreißiger Jahre hin, weil die einheimischen Fabriken auch für den Export produzierten.

An Maschinengewehren verfügte die neu entstandene Armee zunächst nur über etwa 1.000 des Systems Schwarzlose (Modell 1907 und 1907/12), die wiederum aus den Beständen des Österreich-ungarischen Heeres stammten. Bis 1922 kamen durch Ankauf und Reparationsleistungen weitere 10.000 hinzu, meist schwerer Bauart, vor allem des Modells Maxim 08 und 08/15 aus Deutschland, PM 1910 aus Russland und Hotchkiss aus Frankreich.

1922 hatte sich der Generalstab für die Einführung der Patrone 7,92 mm Mauser als Standardmunition entschieden. Die Maschinengewehre wurden umgerüstet und erhielten die Bezeichnung 1907/24. Die Munitionszuführung erfolgte wie bisher mittels Textilgurt, der eine Kapazität von 250 Schuss hatte. Bis Ende 1925 war die Umrüstung weitgehend abgeschlossen.

Ab 1924 begann gleichzeitig die Produktion eines verbesserten Maschinengewehrs mit der Bezeichnung Modell 24.

Die Infanterieregimenter erhielten 34 schwe­re Maschinengewehre, ein Gebirgs- und Grenzschutzbataillon 16 und ein Kavallerieregiment 14 Stück.

Im Zuge der Modernisierung der tschechoslowakischen Armee wurde das von den Waffenwerken Brünn entwickelte leichte Maschinengewehr ZB 26 und ZB 30 eingeführt. Diese moderne Waffe ist auch in viele ausländische Staaten exportiert worden. Für die tschechoslowakische Armee wurden insgesamt 120.000 Stück beschafft. 1935 begann die tschechische Waffenschmiede Brünn mit der Entwicklung eines schweren Maschinengewehrs, das unter der Bezeichnung ZB 37 eingeführt wurde und zur Verwendung auf einer Dreibeinlafette und als Panzerbewaffnung vorgesehen war. (Diese Waffen wurden unter der Bezeichnung MG 26(t), MG 30(t) und MG 37(t) ab 1939 in die Deutsche Wehrmacht übernommen). Daneben gab es überschwere Maschinengewehre vom Kaliber 15 mm und Panzerbüchsen zur Bekämpfung von Panzerwagen.

Den Einsatz von Maschinenpistolen lehnte der tschechoslowakische Generalstab bis 1938 ab. Im Sommer 1938 befanden sich lediglich einige dieser Waffen zur Truppenerprobung bei Besatzungen von Befestigungsanlagen.

Als Ordonanzwaffe wurde zunächst die Steyr-Selbstladepistole Modell 1912 im Kaliber 9 mm geführt, vereinzelt auch noch der österreichische Armeerevolver Modell 1891 im Kaliber 8 mm. Später wurde die Bewaffnung mit der Selbstladepistole des Modells CZ 1924 im Kaliber 9 mm Parabellum vereinheitlicht. 1938 war die Umrüstung auf ein verbessertes Pistolenmodell eingeleitet, jedoch nicht mehr abgeschlossen worden. Diese Pistolen sind bei der Deutschen Wehrmacht unter der Bezeichnung „Pistole 39(t)“ im Zweiten Weltkrieg verwendet worden.

Zu den Infanteriewaffen zählten außerdem Granatwerfer des Systems Stokes-Brandt vom Kaliber 8,1 cm und das Skoda-Modell 17, Kaliber 9 cm, ferner moderne, gummibereifte Panzerabwehrkanonen im Kaliber 3,7 cm und 4,7 cm. Letztere wurden 1939 von der Deutschen Wehrmacht mit der Bezeichnung „3,7 cm Pak M 37(t)“ und „Pak 4,7 cm(t)“ übernommen.

Die Artillerie der tschechoslowakischen Streitkräfte verfügte zunächst nur über die wenigen Geschütze, die bei Kriegsende in den Garnisonen der Habsburger Armee zurückgeblieben waren sowie über die in den Rüstungsbetrieben des Landes fertig gestellten Kanonen, die nicht mehr an den Auftraggeber ausgeliefert werden konnten.

Bei der leichten Artillerie handelte es sich um 8 cm Feldkanonen Modell 17 und 10 cm Feldhaubitzen Modell 14/19. Später kam die von den Skodawerken in Pilsen neu entwickelte 8 cm Feldkanone Modell 30 hinzu. Die Gebirgsartillerie verfügte über die Gebirgskanone Modell 10 im Kaliber 7,5 cm und die Gebirgshaubitze Modell 16/19 im Kaliber 10 cm.

Die schwere Artillerie der Divisionen war zunächst nur mit den 15 cm Haubitzen Modell 14/16, später mit 10,5 cm Kanonen Modell 35 und 15 cm Haubitzen Modell 25 ausgestattet.

Die Heeresartillerie war mit den aus dem Krieg stammenden 15 cm Kanonen Modell 14/16, später mit 10,5 cm Kanonen Modell 35 und 15 cm Haubitzen Modell 25 ausgerüstet.

15 cm Kanone Modell 15/16

Die Heeresartillerie war mit den aus dem Krieg stammenden 15 cm Kanonen Modell 15/16, den 24 cm Kanonen Modell 16, den 15 cm Haubitzen Modell 15, dem 21 cm Mörser Modell 18 und dem 30,5 cm Mörser Modell 16 ausgestattet. Später kam die von Skoda entwickelte 10,5 Kanone Modell 35 hinzu. Bis 1938 waren daneben französische 155 mm Haubitzen in Gebrauch.

24 cm Kanone Modell 16

Alle diese Geschütze entsprachen voll dem damaligen Stand der Rüstungstechnik. Sie wurden 1939 ausnahmslos in die Deutsche Wehrmacht mit dem Zusatz „(t)“ hinter der Modellbezeichnung übernommen.

Bei der Flakartillerie war die 9 cm Flak Modell 12/20 als ortsfestes Geschütz, ferner die 8,35 cm Flak Modell 22/24 und die 7,65 cm Flak Modell 33 eingeführt.

Die Rohrwaffen der Artillerie waren zum Teil pferdebespannt, zum Teil durch Zugmaschinen beweglich gemacht. Der 30,5 cm Mörser wurde zum Transport in drei Lasten zerlegt und durch 100 PS Motorzugwagen (Zugmaschinen) mit Allradantrieb bewegt.

21 cm Mörser Modell 18

Die tschechoslowakische Armee verfügte 1938 über mehr als 400 gepanzerte Kettenfahrzeuge moderner Bauart. Es gab darüber hinaus zahlreiche Straßenpanzerwagen (Zwei- und Dreichachser), die mit schweren Maschinengewehren bewaffnet waren.

An gepanzerten Kettenfahrzeugen waren folgende Typen bekannt, die bei den Skodawerken entwickelt worden waren:

Ein leichter Panzerwagen mit 2 Mann Besatzung, bewaffnet mit 2 MG; ein Panzerkampfwagen (Gewicht 6 Tonnen) mit 4 Mann Besatzung, Bewaffnung 1 Kanone 3,7 cm, 1 MG (Dieses Fahrzeug war nur in geringer Stückzahl vorhanden); ein Panzerkampfwagen (Gewicht 10,5 Tonnen) mit 3 Mann Besatzung, Bewaffnung 1 Kanone 3,7 cm, 2 MG. Dieses Fahrzeug wurde 1934/35 bei Skoda entwickelt und 1936 mit der Bezeichnung LT vz 35 in die tschechoslowakische Armee eingeführt. 1938 war die Panzertruppe zu etwa 75 % mit diesen modernen Kampfpanzern ausgestattet. Die Deutsche Wehrmacht übernahm diesen Panzer mit der Bezeichnung Pz 35 (t) und setzte ihn bis 1941/42 ein.

Inzwischen hatten die Skodawerke einen noch moderneren Panzer mit der Bezeichnung LT vz 38 entwickelt, der 1939 in die Armee eingeführt werden sollte. Hierzu kam es nicht mehr. Das serienreife Fahrzeug wurde weiter produziert und von der Deutschen Wehrmacht als Pz 38 (t) übernommen.

 

Luftwaffe

Nach Kriegsende hatten die Siegermächte der CSR 115 Flugzeuge aus Reparationsleistung kostenlos überlassen. Es handelte sich in der Mehrzahl um ehemalige deutsche Flugzeuge des Typs Hansa-Brandenburg. Dieser Flugzeugtyp wurde in großen Stückzahlen in der CSR nachgebaut und bis 1938 geflogen.

Als Binnenstaat ohne Zugang zum Meer war die Regierung bestrebt, Anschluss an den damals aufstrebenden Luftverkehr zu gewinnen. Die hoch entwickelte Industrie aus der Donaumonarchie war in der Lage, vorzügliche Flugzeuge und Motoren zu produzieren. Bemerkenswert ist, dass man hierbei von Anfang an auf die Mitarbeit von Deutschen verzichtete.

Der Schwerpunkt der tschechoslowakischen Luftfahrtindustrie war auf den Export ausgerichtet. Die staatliche Luftverkehrsgesellschaft bediente in den 20er Jahren vorwiegend Inlandstrecken, bevor Anfang der 30er Jahre auch die Hauptstädte der benachbarten Länder regelmäßig angeflogen wurden.

Bis Anfang der 30er Jahre lag der Schwerpunkt der Rüstung beim Heer. Erst 1934, als zu erkennen war, dass Deutschland die Beschränkungen des Versailler Vertrages in Bezug auf seine Truppenstärke (100.000 Mann, keine Flugzeuge, keine Panzer) nicht mehr länger hinnehmen werde, beschäftigte sich der tschechoslowakische Generalstab neben der Schaffung einer Landesbe­festi­gung mit der Verstärkung seiner Luftwaffe­.

Die landeseigenen Flugzeugfabriken hatten seit Mitte der 20er Jahre Erfahrungen im Flugzeugbau gesammelt und überwiegend für den Export produziert. Daneben hatten sie immer wieder Prototypen von Luftfahrzeugen für militärische Zwecke des eigenen Staates gebaut. 1937/38 verfügte die tschechoslowakische Luftwaffe über mehr als 100 moderne Kriegsflugzeuge, davon 500 Jagdflugzeuge des Typs Avia B 534. Dieser Doppeldecker besaß ein geschlossenes Cockpit, war mit 4 MG (eine spätere Version zusätzlich mit einer 2 cm Kanone) ausgestattet und konnte auch als Jagdbomber eingesetzt werden. Eine Maschine dieses Typs erreichte beim internationalen Flugwettbewerb 1937 in Zürich den 2. Platz hinter einer deutschen Messerschmitt Me 109.

Avia B 534

Als Aufklärer diente der Letov-Doppeldecker S 328/528 mit 2 Mann Besatzung, bewaffnet mit 4 starren und 1 beweglichem MG, der auch als Jagdzweisitzer und beschränkt als Sturzkampfflugzeug (500 kg Bomben als Außenlast) verwendbar war.

Letov S 328

Die Aero 100 und 101, ebenfalls Doppeldecker, waren zweisitzige Aufklärungsflugzeuge und leichte Bomber. Sie hatten als Bewaffnung zwei starre und 1 bewegliches MG und konnten eine Bombenlast von 600 kg tragen.

Zwei weitere Doppeldecker, die Letov S 231/331 und die Praga E 45 mit jeweils 4 starren MG und 400 km/h Höchstgeschwindigkeit vervollständigten die Ausstattung der Jagdfliegerverbände.

Als Kampf- und Transportflugzeug diente der dreimotorige Schulterdecker Avia F 39. Die beiden zweimotorigen Kampfflugzeuge mit der Bezeichnung Avia-Bloch 200 und 210 waren französischer Herkunft und wurden im Lizenzbau hergestellt. Eine Abart war die Bloch 211, die vorwiegend als Transporter eingesetzt wurde. Diese Flugzeuge konnten bis zu 2.000 kg Nutzlast tragen und hatten 3 bewegliche MG als Abwehrbewaffnung.

Ferner gab es noch einige wenige, sehr moderne Jagdeinsitzer sowjetrussischer Herkunft, den Tiefdecker ZKB 19, der mit 4-6 starren MG bewaffnet war und 490 km/h Höchstgeschwindigkeit hatte. Ein moderner zweimotoriger Bomber, ebenfalls sow­jetrussischer Herkunft, wurde als Aero SB in Lizenz gebaut.

Aero A.100 und A.101

 

Donauflottille

Zum Schutz der Donau stand eine Flottille von folgenden Schiffen bzw. Booten zur Verfügung:

Zwei Kanonenboote von je 540 Tonnen, bewaffnet mit je 2 – 15,5 cm Kanonen, 2 – 10,5 cm Haubitzen, 2 – 7,6 cm Kanonen, 4 – 4,7 cm Kanonen und 4 MG, ein Monitor von 200 Tonnen, bewaffnet mit mehreren 7,5 cm Geschützen und MG, 15-20 Minenlegern von je 240 Tonnen, bewaffnet mit 1 – 7,6 cm Kanone und 2 MG, 20 mit MG bewaffnete Motorboote und zahlreiche Wachtfahrzeuge.

Patrouillenboote im Preßburger Winterhafen; am Bug und Heck je 1 S.M.G. mit Pilotlafette

 

Schlussbetrachtung

Von allen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie war der CSR das wertvollste Erbe zugefallen. Die CSR konnte den größten und wertvollsten Teil der Industrie und einen großen Teil der Bodenschätze übernehmen. Dazu kamen eine gute Infrastruktur und eine ertragreiche Landwirtschaft.

Der neue Staat gehörte 1919 zu den unterzeichnungsberechtigten Siegerstaaten, obwohl er während des Ersten Weltkrieges noch nicht bestanden und nicht an den Kampfhandlungen teilgenommen hatte. Im Friedensvertrag waren die Rechte der nationalen Minderheiten im Sinne des vom amerikanischen Präsidenten Wilson verkündeten Selbstbestimmungsrechts der Völker nicht geregelt worden. Schon die Bezeichnung des neuen Staates „Tschecho-Slowakei“ zeigte diese Diskriminierung.

Der nach den Tschechen zweitstärkste Teil der Bevölkerung, die Sudetendeutschen (3,5 Mio.) wurden totgeschwiegen. Das waren 28 % der gesamten Einwohner. Aber auch die 2,4 Mio. Slowaken waren vom neuen Slawenstaat enttäuscht, weil ihnen die 1918 im sogenannten Pittsburgher Vertrag in den USA zugesicherte Autonomie nicht zugestanden wurde.

Die tschechoslowakische Regierung hatte zwar in der Friedenskonferenz in Paris 1919 feierlich erklärt, dass die Deutschen und die Slowaken die gleichen Rechte wie die Tschechen erhalten würden und die deutsche Sprache als die zweite Landessprache anerkannt werde. Die Tschechen wollten ihr Land sogar zu einer zweiten Schweiz machen, doch nichts davon traf ein, obwohl alle ökonomischen Voraussetzungen gegeben gewesen wären.

Außenpolitisch kam das Bestreben Frankreichs, Deutschland in Mitteleuropa politisch zu isolieren, der CSR sehr entgegen. Schon 1921 hatte es mit Polen ein Militärbündnis geschlossen. Gleichzeitig hatten sich die CSR, Jugoslawien und Rumänien zur sogenannten „Kleinen Entente“ zusammengeschlossen. Dieses wurde 1926 und 1927 durch ein französisches Bündnis mit Rumänien und Jugoslawien ergänzt, nachdem Frankreich bereits 1925 mit Polen und der CSR gegen Deutschland gerichtete Garantieverträge abgeschlossen hatte.

1935 wurde ein tschechisch-sowjetischer Beistandspakt geschlossen.

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre in der CSR trafen vor allem die Menschen in den von Deutschen bewohnten Randgebieten. Die Prager Regierung gab den Sudetendeutschen das Gefühl, ihrem Elend gegenüber untätig zu sein. Jenseits der Grenzen, im „Reich“ dagegen gab es zunehmend Arbeit und Brot. Die „Sudetendeutsche Heimatfront“ (SHF), die „eine gerechte Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Fragen aller Stände“ forderte, bekam starken Zulauf. In den Parlamentswahlen im Mai 1935 erhielt die SHF, die inzwischen auf Verlangen der Regierung der CSR in „Sudetendeutsche Partei“ (SdP) umbenannt worden war, in den deutschsprachigen Landesteilen 65 % der Stimmen.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich hofften die Sudetendeutschen auf eine politische Lösung, die ihre Lage verbessern könne. Konrad Henlein, der Führer der SdP forderte in seinem Karls­bader Programm am 24.4.1938 die Autonomie für die Sudetengebiete, nicht aber den Anschluss an das Deutsche Reich.

Die Situation verschärfte sich bedrohlich, als die Prager Regierung am 21.5.1938 die Teilmobilmachung für zwei Jahrgänge ausgebildeter Wehrpflichtiger und verschiedener Spezialtruppen, insgesamt 180.000 Mann anordnete. Die deutsche Bevölkerung sah in diesem Aufmarsch einen Versuch der Einschüchterung bei den bevorstehenden Gemeindewahlen.

Anfang September verhängte die Regierung über die Sudetendeutschen Gebiete das Standrecht, am 23.9.1938 ordnete sie die allgemeine Mobilmachung an. Die meisten Sudetendeutschen Wehrpflichtigen folgten dem Einberufungsbefehl nicht. Sie versuchten, über die nahe Landesgrenze nach Deutschland zu gelangen oder sie versteckten sich in den Wäldern, wo sie in abgelegenen Gehöften von Bauern mit Nahrung versorgt wurden.

Hitler drohte mit Krieg gegen die CSR und forcierte die Aufstellung eines Sudetendeutschen Freikorps auf dem Reichsgebiet. In dieser Krisensituation verstärkten England und Frankreich ihre Friedensbemühungen, so dass es schließlich durch Vermittlung Italiens zum Abschluss des Münchner Abkommens kam. Dieses Abkommen bestätigte die zuvor bereits auf diplomatischem Weg zustande gekommene Vereinbarung zwischen England, Frankreich und der CSR über die Abtretung der Sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich. Die Welt atmete damals auf, weil ein Krieg vermieden werden konnte. Es dauerte leider nur ein knappes Jahr, bis jedermann erkennen konnte, dass das Ende der Sudetenkrise nicht der dauerhaften Sicherung des Friedens gedient hatte.

Die Ouvertüre zum Zweiten Weltkrieg begann mit der Besetzung der Resttsche­cho­slo­wakei durch deutsche Truppen am 15.3.1939 und der Bildung des Protektorats Böhmen und Mähren. Die Slowakei wurde gleichzeitig ein zumindest theoretisch unabhängiger Staat.

Alle Waffen und Ausrüstungsgegenstände der tschechoslowakischen Armee wurden von der deutschen Wehrmacht übernommen. Ein Teil dieses Kriegsmaterials wurde den Slowaken überlassen, die damit ihre Armee ausrüsteten.

Zum Zeitpunkt der Mobilmachung Mitte August 1939 hatte die Deutsche Wehrmacht allein 5 Infanteriedivisionen aufgestellt, die mit tschechischem Gerät ausgestattet waren. Im Oktober 1939 folgten weitere 5 Divisionen mit tschechischen Waffen. Über den Umfang des erbeuteten Kriegsmaterials findet man in der Literatur unterschiedliche Angaben. Insgesamt soll die Ausrüstung von 20 Divisionen, darunter 1.582 Flugzeuge, 469 Panzer und 2.175 Geschütze in deutsche Hand gefallen sein.1)

Ein Schneesturm verhinderte die Flucht der tschechoslowakischen Luftstreitkräfte in das neutrale Ausland.

Die leistungsfähigen staatlichen Rüstungsbetriebe wurden von der deutschen Wehrmacht übernommen. Die wehrtechnischen Produktionsstätten der CSR hatten Weltruf, vor allem die Skoda-Werke und die CKD (Ceskomoravska Kolben Danek),2) die neben Panzerfahrzeugen für die eigene Armee auch für den Export produziert hatten.

Alle vorhandenen Panzerkampfwagen wurden unter der Bezeichnung „PzKpfw 35 (t)“ und „38 (t)“ in die Panzerdivision der Wehrmacht übernommen. Sie bewährten sich im Polen- und Frankreichfeldzug 1939/40. 1940/41 waren noch 25 % der deutschen Panzerdivisionen mit tschechischen Pan­zer­kampfwagen ausgestattet.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges haben die tschechischen Rüstungswerke vor allem­ zwei modifizierte Versionen des PzKpfw 38 (t) als Panzerjäger gebaut, die den Namen „Marder“ und „Hetzer“ erhielten und auf allen Kriegsschauplätzen erfolgreich eingesetzt wurden. Die Schweizer Armee kaufte nach Kriegsende 1945 von der Tschechischen Regierung 150 „Hetzer“ und nutzte diese Fahrzeuge bis Anfang der 70er Jahre.

 

 

1) Waffen-Revue, Heft 63 (S. 132)

2) Später umbenannt in „Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik“

 

Literatur:

Rudolf Meixner: "Geschichte der Sudetendeutschen", Helmut Preußler Verlag, Nürnberg, 1988

Emil Franzel: "Sudetendeutsche Geschichte", Adam Kraft Verlag, Augsburg, 1958

Friedrich Prinz: " Geschichte Böhmens 1848-1948", Langen Müller, 1988

Conrad Taler: "Das Vorspiel – Die Sudetenkrise und der Zweite Weltkrieg", Donat  Verlag, Bremen, 1998

Heinrich Kuhn: "Tschechoslowakei", Glock und Lutz, Nürnberg, 1965

Richard Rickett: "Österreich – Sein Weg durch die Geschichte", Georg Prachner Verlag, Wien, 1969

Reiner Lidschun / Günter Woller: "Infanteriewaffen gestern (1918-1945)", 2 Bände, Brandenburgisches Verlagshaus, 3. Auflage 1998

George Forty, German  Tanks of World War Two, Deutsche Erstausgabe: „Die deutsche Panzerwaffe im Zweiten Weltkrieg“, als Übersetzung, Weltbild Verlag, Augsburg 1998

Handbuch „Die Tschechoslowakische Wehrmacht“, herausgegeben vom Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Generalstab des Heeres, Berlin, 1938 (H. Dv. g 27 – geheim). Das Handbuch ist seit 1939 offen und für Historiker uneingeschränkt zugänglich.

L. Dv. 903 – „Flugzeugerkennungstafeln – Tschechoslowakei“ herausgegeben vom Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Berlin, 1. Juli 1938

Jahrbuch der Sudetendeutschen 2002 / Jahrbuch der Egerländer 2002, Helmut Preußler Verlag, Nürnberg

 

Beitrag aus: "Riesengebirgs-Buchkalender 2003" mit Genehmigung des Preußler-Verlags, Nürnberg