Weihnachtsfeste

Margarete Kirschner, geb. Rolletschek aus Gießhübel

1944

Wer erinnert sich nicht gern an die schöne Weihnachtszeit in unserer adlergebirgischen Heimat. Die vielen Heimlichkeiten unserer Eltern in der Vorweihnachtszeit spannten uns Kinder auf die Folter. Zu gerne hätten wir eine Klitzekleinigkeit entdeckt oder erfahren.

Am Heiligen Abend war es bei uns Brauch, daß Vater den Baum schmückte. Mutter kochte wunderbare Dinge. Das Vieh im Stall erhielt auch eine Leckerei in Form von Rüben oder Kleie. Zu der Bescherung kam wie jedes Jahr Frau Meier, eine kinderlose, alte Dame. Sie wollte die Freude der Kinder erleben, so sagte sie. Die Eltern hatten trotz Kriegsnot Geschenke besorgen können. Auch Schokolade hatte es auf Zuteilung gegeben. Das Christkind ging im Flur mit Glöckchengeläute und weißem Kleid auf und ab. Durch die offene Tür konnten wir es sehen. Ich vermutete als Älteste, daß unsere Tante Minna das Christkind spielte. Nach dem Auspacken wurde gespielt, gelesen, gewerkelt und gehandarbeitet mit den schönen Geschenken. Es herrschte Zufriedenheit und Dankbarkeit bei allen.

Wie würde das nächste Weihnachtsfest ausfallen? So fragten wir uns. Die Front war nicht mehr allzu weit.

1945

Unsere Familie war auf das Gut Podzamci bei Opocno zur Zwangsarbeit gebracht worden. Wir dachten nicht gern an Weihnachten, aber das Fest kam doch heran. Ich erinnere mich, daß wir eine Fichte mit einigen Lichtern und selbstgebastelten Strohsternen in unserer beengten Behausung stehen hatten. Geschenke gab es nicht, Die slowakische Schafferin über dem Kuhstall, eine gute Frau, verkaufte uns einen schönen Karpfen ; bekamen wir Deutschen doch kein Fleisch zu kaufen. So teilte Mutter den Fisch gut ein. Er schmeckte so lecker, daß wir dachten, nie im Leben etwas Besseres gegessen zu haben. Es war ein trauriger Weihnachtsabend. Wer dachte da nicht an zu Hause, wo sich fremde Menschen breit gemacht hatten. Ich höre heute noch Großmutters Worte an diesem Abend: Wir wollen Gott danken, daß wir alle gesund sind und beieinander sein können.

Am 1. Feiertag gingen wir in der Kirche zur Krippe und dachten, daß das Jesuskind für alle Menschen geboren wurde und beteten zu ihm für unsere Zukunft .

1946

Dieses Weihnachtsfest feierten wir schon in Schönberg in Mecklenburg. Wir weilten bereits 4 Monate in dieser Kleinstadt, an die wir uns gewöhnen mußten. Die schwere Last der Unfreiheit war von uns genommen. Es ging uns nicht gut; denn es fehlte an allem. Die Erwachsenen plagte das Heimweh. Sie hofften damals noch, irgendwie oder irgendwann heimkehren zu können. Sie litten unter der Fremde. Alle hofften auf eine Besserung ihrer Lage in der Zukunft. In diesem Sinne begingen wir das erste Weihnachtsfest in einem neuen Zuhause.