Das Erwerbsleben in Gießhübel

Josef Schintag (1897 -  1968)



Wie in den angrenzenden Gemeinden, so war auch in Gießhübel jedes Stückchen Land, selbst auf den steilsten Hängen, von den Eigentümern nutzbar gemacht worden. Der größte landwirtschaftliche Besitz betrug 25 ha. Es gab nur wenige Landwirte, die ihre Familie von dem Ertrag ihres Grundbesitzes zu ernähren vermochten. Landwirte, die sich Pferde halten konnten, betätigten sich nebenbei mit dem Abfahren von Holz aus den herrschaftlichen Wäldern. Die kleinen Eigentümer von landwirtschaftlichem Boden setzten sich den Winter über hinter den Handwebstuhl.

Da bis Mitte der neunziger Jahre (19. Jhd.) keine Industrie vorhanden war, verdienten sich viele Familien ihr Brot mit der Handweberei. 2 bis 3 Webstühle in einer Familie waren keine Seltenheit. Bis zum 1. Weltkrieg fanden Maurer, Zimmerleute, Tagelöhner, Hausdiener , Zimmer- und Küchenmädchen während der Saison in den benachbarten schlesischen Badeorten Arbeit. Den Winter über saßen auch sie hinter dem Handwebstuhl.

Eine weitere Erwerbsmöglichkeit bot der herrschaftliche Wald. Die Holzmacher, wie sie genannt wurden, versahen ihre Arbeit oft unter schlechten Wetterbedingungen, und selbst im Winter rückten sie mit Handschlitten das Holz zu geeigneten Abfuhrstellen.

Es gab auch einzelne Frauen, als "Bottaweiber" bekannt, die sich ihr Brot durch den Transport von Eiern in Holzbutten auf dem Rücken in die schlesischen Badeorte verdienten. Die Eier kauften sie im Laden des Ignaz Czerny in Obergießhübel.

Dieser fuhr mit seinem Pferdefuhrwerk jeden Dienstag auf den Markt in Dobruschka, wo er neben seinen Einkäufen für den Laden auch die Eier für die Bottaweiber besorgte. Die Bottaweiber mußten nach dem Einkauf jedes Ei erst mal mit einer Kerze durchleuchten, um einwandfreie Ware an ihre Kunden abliefern zu können. Dann mußten sie von Obergießhübel, wo sie wohnten, zum Zollamt im Staadtla, von da zum Zollamt in Kuttel und von hier ging ihr Weg auf dem Grenzweg über den Panzker nach Bad Reinerz. Sie mußten " a Rood giehn".


Gießhübler "Staadtla" mit dem alten Zollhaus (links)

Die Kinder wurden frühzeitig zur Mitarbeit herangezogen: Im Sommer hieß es auf dem Felde und auf der Wiese mitzuhelfen, Brennholz im Walde zu sammeln, Beeren zu pflücken und in die Pilze zu gehen. Im Winter stand das Spulrad bereit. Müßiggänger? Die gab es nicht im Adlergebirge.

Mit zu den ältesten Handwerksbetrieben zählt das Mühlenhandwerk. In Gießhübel gab es vor der Jahrhundertwende folgende Mühlen, deren Antriebskraft das Wasser war:

Die Obermühle (Ewermühle), Getreidemühle, um 1900 in eine Weberei umgewandelt. Sie besaß das größte Wasserrad im Oberen Adlergebirge (ca. 7 m Durchmesser), später auch Turbinen zur Erzeugung von Strom für den Eigenverbrauch, die Weberei, das Gasthaus Czerny 131/O. und das Haus von Rudolf Vogel 31/O. Letzte Eigentümerin Christine Schintag, Haus Nr. 34/O. Nach dem Krieg ziemlich verfallen, dann renoviert und umgebaut, Erholungsheim, zuletzt Berghütte Juraska.


"Ewermühle" (später: Mechanische Weberei Schintag)

Die Vogelmühle, Getreidemühle, wurde um 1910 von einem Johann Schmidt (Wollausgeber in Gießhübel) in eine mechanische Weberei umgewandelt. Letzter Eigentümer: Anton Czerny, Haus Nr. 107/O. Das Mahlwerk ist bis zur Vertreibung erhalten geblieben, obwohl es viele Jahre hindurch nicht benutzt worden ist.

Die Plätschermühle oder Czerny-Mühle, ursprünglich Getreidemühle, wurde zum Teil als Weberei eingerichtet. Das Mahlwerk war gut erhalten und ist nach dem Anschluß 1938 noch benutzt worden. Letzter Besitzer: Josef Czerny d. Ä., Haus Nr. 73/O. Betrieben wurde auch ein großes Bethlehem mit beweglichen Figuren, 1947 ist das Haus vollständig abgebrannt.


Ehemalige Czerny-Mühle
 
 


Wasserrad der Czerny-Mühle bei Einbau

Die Schramm & Rauscha-Mühle, Getreidemühle und Brettsäge, später nach dem damaligen Besitzer Hackauf – Mühle genannt, wurde bekannt als Zentrale (Elektrizitätswerk). Im Ort hatte man eine Genossenschaft gegründet, mit dem Bestreben, elektrischen Strom für Beleuchtungszwecke herzustellen. So wurde um 1910 mit der Errichtung des Elektrizitätswerkes begonnen. Diese Objekt wurde von einem Schlossermeister Stonner gekauft. Zur besseren Ausnützung der Wasserkraft wurden zwei Turbinen eingebaut und für wasserarme Zeiten ein Dieselmotor aufgestellt. Die Überlandleitung wurde über Pollom bis Sattel ausgebaut, obwohl die Anzahl der Stromabnehmer nicht groß war.

Das Elektrizitätswerk

Es fehlte auch an Abnehmern in Obergießhübel ab der Bleiche bis zur Schnappe. Durch den 1. Weltkrieg konnten die Leitungen nicht richtig instand gehalten werden und so mußte die Genossenschaft bald liquidieren. Den Besitz erwarb ein Franz Seibert, dem von bekannten Persönlichkeiten Bürgschaft geleistet wurde. Anfang der dreißiger Jahre wurde seitens der Ostböhmischen Elektrizitätswerke der Ausbau des Überlandnetzes bis Gießhübel durchgeführt. Die Zentrale in Gießhübel mußte erneut liquidieren, da ihre Einrichtung (nur Gleichstrom) den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprach. Der Besitz ging in tschechische Hände, Erwerber war ein Balcar aus Neustadt a.d.M. nach dem Anschluß kaufte der Tischler Friedrich Kossek jun. Das Anwesen und richtete eine Tischlerwerkstätte dort ein, die bis zur Vertreibung in seinem Besitz war / Haus Nr. 81/St.

Die Schwarz-Mühle, auch Netik-Mühle genannt, ursprünglich Getreidemühle und Brettsäge (am Klötzerplan), wurde vor der Jahrhundertwende von einem Adolf Soumar erworben und zur 1. Gießhübler mechanischen Weberei umgewandelt und durch Anbau vergrößert. Über 30 Jahre lang war dieses Unternehmen mit fast 100 Webstühlen in Betrieb.

Weberei Soumar/Bubenicek/Reichert (um 1900)


In den dreißiger Jahren kam es unter den Hammer und wurde von Ludwig Bubenicek erworben. Dieser verkaufte die Lokomobile und verkleinerte den Betrieb.
Infolge seiner Volkszugehörigkeit kam der Besitz 1939 durch Kauf in die Hände von Karl Reichert und blieb dort bis zur Vertreibung.

1961 explodierte das Gebäude, in dem eine Seifenfabrik untergebracht war, und brannte völlig ab.

Die Fabrik in Untergießhübel (1964)

Die Erlenmühle, auch nach dem seinerzeitigen Besitzer Kinzelmühle genannt, Getreidemühle, wurde nach dem 1.Weltkriege von einem Anton Marsik gekauft. Ein Websaal für 70 Webstühle wurde angebaut, 2 Turbinen aufgestellt. Nach wenigen Jahren kam der Betrieb unter den Hammer. Ein Bauer aus Cerncic kaufte ihn und verpachtete ihn an Johann Semerak aus Rothkosteletz. Nach dem Anschluß kaufte den Betrieb die Firma Benedict Schroll & Sohn in Braunau – Ölberg.

Jetzt (2001) ist der Fabrik das ehemalige Schmoranz-Gasthaus 84/U. angeschlossen. Man stellt Armaturen her.

Weitere Mühlenbetriebe:

Bec , dann Balcer – früher Brettmühle, dann Weberei – 113/O. (Bleiche)

Josef Utz – Wasserrad / Weberei – 139/St. (frühere Schererei Soumar)

Josef Pohner – Wasserrad / Weberei - 134/O. (früherer Besitz von Josef Utz)

Anton Skop – Wasserrad / Weberei – 10/O. (Neubau)

Anton Stwrtetschka (Wänersch Tonla) – Wasserrad / Weberei – (vorher Josef Utz/Zentrale)

Josef Obst – Holzturbine / Weberei – 83/O.

Wendelin Schmoranz – Kl.Teich / Wasserrad /später kl. Turbine / Hauslicht – 125/O.

Franz Wondrejz (Tinla Teschler) – Kl. Turbine / Hauslicht / Landwirtschaft – 45/O.